Beiträge zur Flora von Österreich, III Author Stöhr, O. Author Pilsl, P. Author Essl, F. Author Wittmann, H. Author Hohla, M. text Linzer biologische Beiträge 2009 2009-12-18 41 2 1677 1755 journal article 10.5281/zenodo.5279728 0253-116X 5279728 Carex pseudocyperus L. Salzburg : Flachgau, Obertrum am See, Ufer des Obertrumersees beim Bootshafen, ca. 505 m , 8044/3, 03.06.200 8, leg./det. OS, Herbarium OS/LI. – Flachgau, Salzachtal, 2,2 km WSW vom Haunsberggipfel, zwischen Anthering und Weitwörth, zwischen der Lokalbahn und der Salzachtal-Bundesstrasse, knapp S vom so genannten "Erdbeerweiher", Tümpel im Waldbereich SSE von einem unbewohnten Haus, ca. 410 m , 8043/4, 27.05.200 8, leg./det. HW, Herbarium HW/LI. – Pongau, orographisch rechtes Ufer der Salzach, N von Bischofshofen, Kreuzbergfeld (= Ausgleichsfläche für das Kraftwerk Kreuzbergmaut ), Überflutungsbereich des Begleitbaches bei der nördlichen Bahnunterführung, ca. 540 m , 8545/3, 01.07.200 8, leg./det. HW, Herbarium HW/LI (im Umfeld dieses belegten Fundes auch mehrfach am Stauraumufer des Kraftwerkes). Unsere Erfahrungen mit Renaturierungsprojekten in Auwaldbreichen durch Reaktivierung des vorhandenen im Boden schlummernden Genpools (vgl. WITTMANN 2007, WITTMANN & RÜCKER 2008) lassen im Konnex mit den Angaben in der Literatur den Schluss zu, dass der ursprüngliche Haupt-Lebensraum von Carex pseudocyperus die mässig dynamischen Ufer von Alt- und Totarmen in diversen Auwaldbiozönosen waren. So kann sich die Zypergras-Segge aus der im Boden schlummernden Diasporenbank auf offenen und schlammigen, gut durchfeuchteten Böden äusserst rasch etablieren, individuenreiche Bestände aufbauen und rasch zur Fruktifikation gelangen. Fehlt die Dynamik über einen längeren Zeitraum, so machen zuerst Rohrkolbenröhrichte und in Folge dichte Schilfbestände der Zypergras-Segge derartige Konkurrenz, dass sie völlig verschwindet oder auf individuenarme Populationen in verbleibenden Lücken der hohen Röhrichte zurückgeht. Die Art ist also an eine gewisse Dynamik gebunden, wobei diese Dynamik flache, feinanteilreiche bis sogar schlammige Ufer mit guter Bodenfeuchte (zumeist ist das Substrat sogar wassergesättigt) mit moderaten Wasserspiegelschwankungen schaffen sollte. Derartige Lebensräume waren in den früher vorhandenen Auwaldbiozönosen reichlich gegeben, es ist daher davon auszugehen, dass Carex pseudocyperus ehemals eine häufige Art war. Die zum Teil spärlichen Literaturangaben aus früherer Zeit sind zumindest zum Teil dadurch zu erklären, dass derartige Lebensräume für die Botaniker seinerzeit schwer erreichbar waren. So konnten viele der Standorte in den ehemals hoch dynamischen Auwaldbiozönosen nur mit dem Boot erreicht werden, eine Ausstattung, die den Botanikern im Regelfall nicht oder nur selten zur Verfügung stand. Für das Bundesland Salzburg wird im Hinblick auf Carex pseudocyperus bei LEEDER & REITER (1958) lediglich angegeben, dass sie im benachbarten Oberösterreich knapp an der Landesgrenze vorkommt. Die ersten gesicherten Literaturangaben finden sich bei WITTMANN et al. (1987) aus dem Bereich Bürmoos und Trumer Seen, wobei es sich unzweifelhaft um natürliche Vorkommen dieser Art handelt. In weiterer Folge veröffentlichen Krisai in STROBL (1991) und STÖHR et al. (2002 , 2004 a , 2006) weitere Vorkommen dieser Art aus Salzburg , wobei die Funde zumeist an Sekundärstandorten (meist feuchte Gewerbegebiets- oder Ruderalflächen) auftraten. Entsprechend diesen Angaben liegen Funde von Carex pseudocyperus aus dem nördlichen Flachgau (Weidmoos, Bürmoos, Trumer Seen), aus dem Raume Untersberg-Vorland und Hallein, aus Teilen des Pongaues (Goldegger See, Grossarltal) sowie aus dem Pinzgau bei Maria Alm vor. Aufgrund dieser Daten könnte man sogar vermuten, dass Carex pseudocyperus heute wesentlich häufiger ist als in früheren Zeiträumen und dass es sich eher um eine Ruderalals um eine Auwaldart handelt. Interessant ist in diesem Zusammenhang jedoch ein bei den jüngsten Revisionsarbeiten im Herbarium des Hauses der Natur (SZB) entdeckter Beleg, der von STORCH am 13.06.184 7 gesammelt wurde und dessen Etikette folgende Angabe trägt: "An einem Bachrande in der Au, ehe man zum Markte Kuchl kommt, sehr sparsam". Dies beweist, dass Carex pseudocyperus auch im Bundesland Salzburg schon vor über 150 Jahren offensichtlich als typische Auwaldart vorhanden war, aber eben – wie oben erwähnt – für die Botaniker schwer zu erfassen war. Die oben erwähnten Funde in Sekundär-Lebensräumen sind demnach ein Pendant zu anderen ehemaligen Auwaldpflanzen wie Cyperus fuscus , Limosella aquatica oder andere Nanocyperion-Arten, die in ursprünglichen Flutmuldensystemen der Auwälder beheimatet waren und die wenigstens zum Teil einen Ersatz-Lebensraum in Gewerbegebiets- oder Abbauflächen gefunden haben. Der durch den Menschen geschaffene konkurrenzarme Standort, der durch die oftmals gegebene Bodenverdichtung periodisch austrocknender Stillgewässer (z.B. grössere Pfützen) beherbergt, kommt dem Pfützensystem in regelmässig überfluteten Auwäldern im Hinblick auf Lebensraumeigenschaften zumindest nahe. Während der Fund im Alpenvorland westsüdwestlich vom Haunsberggipfel – also am unmittelbaren Rand der ehemaligen Salzachauwälder gelegen – noch zwanglos in das Auwaldschema als Haupthabitat passt, sind die Funde im Bereich des Kraftwerkes Kreuzbergmaut im Pongau etwas "kurios". Und zwar handelt es sich bei diesem Kraftwerksareal um ein Gebiet, das bereits vor Kraftwerkserrichtung eingehend und genau botanisch kartiert wurde. Und zwar so genau, dass zuvor unentdeckte botanische Besonderheiten wie Pseudolysimachion orchideum , Centaurea jacea ssp. macroptilon , Filipendula vulgaris und andere nachgewiesen wurden (vgl. WITTMANN & PILSL 1997). Unmittelbar nach Fertigstellung des Kraftwerkes wurde das Gebiet zur Ausarbeitung eines Landschaftspflegeplanes nochmals detailliert erfasst, einige Jahre später nochmals, um die Effektivität der Ausgleichsmassnahmen überprüfen zu können (vgl. INSTITUT FÜR ÖKOLOGIE 1997 , WITTMANN 2004 , WITTMANN 2008). Demnach steht ausser Frage, dass bis zum Jahr 2004 Carex pseudocyperus im Projektgebiet nicht vorhanden war. Nunmehr siedelt die Art in durchaus respektablen Populationen nicht nur am sogenannten "Umgehungsgerinne" (das ist der mit über 1 m ³/s dotierte Fischaufstieg, der fast die gesamte Stauhaltung umgeht), sondern auch am Stauraumufer selbst. Dazu ist jedoch auszuführen, dass das Stauraumufer nach dem so genannten Prinzip der "getauchten Berme" konzipiert wurde, d.h. die harten Sicherungsmassnahmen sind komplett überschüttet, und das Ufer ist vor allem im Bereich der Wasseranschlagslinie flach und mit sandig bis schottrigem, ufertypischem Substrat gestaltet worden. Genau in dieser Flachuferzone hat sich nun Carex pseudocyperus zusammen mit anderen Rote Liste-Arten wie Scutellaria galericulata oder Typha latifolia angesiedelt. Die Vorkommen gehören unzweifelhaft zu den grössten im Bundesland Salzburg . Woher die Diasporen, die diese Population aufgebaut haben, kommen, kann wohl nie mehr eruiert werden. So ist es durchaus nicht unmöglich, dass die Vorkommen aus im Bodensubstrat schlummerndem Saatgut entstanden sind, das beim Bau des Kraftwerkes wieder an die Oberfläche kam und nachträglich durch Hochwasserereignisse oder ähnliches "aktiviert" wurde. Dass die Samen von Carex pseudocyperus mehrere Jahrzehnte keimfähig im Bodensubstrat verbleiben können (selbst bei Überstauung durch Wasser), zeigten Begrünungsmethoden mit Bodenschlamm aus Altarmgewässern im Aubereich (WITTMANN 2007, WITTMANN & RÜCKER 2008). Nicht vollständig ausgeschlossen werden kann natürlich auch ein Eindringen der Samen aus Gärten, da Carex pseudocyperus im Gartenhandel zur Gestaltung so genannter "Biotope" erhältlich ist. Allerdings sind uns in der näheren und weiteren Umgebung des analysierten Kraftwerksareals keine Gartenteiche mit der Zypergras-Segge bekannt.