Hieracium L.

Hess, Hans Ernst, Landolt, Elias & Hirzel, Rosmarie, 1976, Flora der Schweiz und angrenzender Gebiete. Band 3. Plumbaginaceae bis Compositae (2 nd edition): Unterfamilie _ liguliflorae, Birkhaeuser Verlag : 590

publication ID

https://doi.org/ 10.5281/zenodo.292249

persistent identifier

https://treatment.plazi.org/id/EC8833CA-499A-2094-3E1E-CADAD4FC44B4

treatment provided by

Donat

scientific name

Hieracium L.
status

 

Hieracium L.

Habichtskraut

Unter Mitarbeit von O. Hirschmann†, Bad Ragaz

Ausdauernd; oft mit grundständiger Blattrosette. 3 Haartypen: 1) 0,2 - 1 2 mm lange, helle oder dunkle, mehrzellige, gerade oder krause, einfache Haare, die meist gezähnt sind ( Zähne meist etwa ½ so lang wie der Haardurchmesser; nur bei H. tomentosum Nr. 7 und in der Artengruppe des H. murorum Nr. 11 Zähne bis 5mal so lang wie der Durchmesser des Haares); 2) 0,1 - 2 mm lange, helle oder dunkle Drüsenhaare; 3) kleine, weiße, fast ungestielte Sternhaare. Stengel unter den Blütenköpfen oft mit kleinen, schuppenförmigen Blättern (in den Zahlenangaben der Stengelblätter nicht inbegriffen!). Hülle 2reihig (nur bei H. staticifolium Nr. 1) oder mehrreihig. Hüllblätter 0,7-2,5 mm breit, im untersten Drittel am breitesten und allmählich zugespitzt (nur bei H. Hoppeanum Nr. 4d und H. Peletierianum Nr. 4e 2-4 mm breit und bei H. Hoppeanum etwa in der Mitte am breitesten); die äußern allmählich kürzer werdend (dachziegelartig) oder plötzlich bedeutend kürzer. Boden des Blütenkopfes ohne Spreublätter, kahl oder bei H. sabaudum Nr. 14b, H. intybaceum Nr. 8, H. amplexicaulis Nr. 9 und der Artengruppe des H. cerinthoides Nr. 12 auf den wabenartigen Leisten mit einzelnen einfachen Haaren. Blüten gelb, orange, rot oder gelblichweiß. Früchte zylindrisch, an der Spitze nicht verschmälert, ohne Schnabel, 8 - 13rippig. Pappus 1reihig, selten 2reihig, meist gelblichweiß; Pappusborsten rauh, brüchig (bei H. staticifolium biegsam).

Die Gattung Hieracium ist fast über die ganze Erde verbreitet, hat aber ihr Zentrum in den gemäßigten Zonen Eurasiens. Sie ist in bezug auf systematische Gliederung eine der schwierigsten Gattungen der Blütenpflanzen, was sich in den vielen Tausenden von beschriebenen Arten, Zwischenarten, Unterarten, Varietäten und Bastarden widerspiegelt. Die Ursache dieser unübersichtlichen Formenmannigfaltigkeit liegt in der durch große Teile der Gattung verbreiteten, teilweisen oder völligen Apomixis. Durch Mutationen veränderte Pflanzen einer Sippe sowie Bastarde können fixiert werden und bilden dann oft gegenüber andern Pflanzen unterscheidbare, selbständig erscheinende Sippen. Dazu kommt, daß innerhalb einer Art offenbar auch durch spontane Chromosomenverdopplungen Sippen mit verschiedenen Chromosomenzahlen auftreten können. Von einer Art sind unter anderm folgende Nachkommen denkbar (von Turesson und Turesson 1960 wurden an H. macrolepidium Norrl. [= H. Peletierianum] und H. Pilosella s.str. entsprechende experimentelle Untersuchungen durchgeführt; die hier angeführten theoretischen Überlegungen geben weitgehend die Verhältnisse bei H. Peletierianum wieder):

Das Resultat aus diesen verschiedenen Fortpflanzungs- und Bastardierungsmöglichkeiten ist für die Systematik äußerst verwirrend. Besonders die zahlreichen fixierten Bastarde (Zwischenarten), die oft über kleinere Gebiete hinweg einheitlich aussehen und an vielen Orten unabhängig voneinander wieder neu entstehen können, machen eine systematische Einteilung fast unmöglich.

Innerhalb der Gattung Hieracium liegen die Verhältnisse hei den 3 im Gebiet auftretenden Untergattungen verschieden: Die Untergattung Stenotheca T. et G. (im Gebiet nur durch H. staticifolium vertreten) besitzt normal sexuelle Pflanzen. Die Untergattung Pilosella Fries (im Gebiet Nr. 2-5), die gelegentlich auch als Gattung Pilosella Hill abgetrennt wird ( über Namenkombinationen s. Soják 1971 über Namenkombinationen s. Soják 1971a), umfaßt mehrere Arten mit normal sexueller Fortpflanzung, daneben zahlreiche Arten (oft auch Sippen von sonst normal sexuellen Arten), die sich, meist nur fakultativ, apomiktisch fortpflanzen können und meist noch großenteils gut ausgebildeten Pollen besitzen. Bastarde treten relativ häufig auf und können auch experimentell hergestellt werden (vgl. Christoff 1942, Turesson und Turesson 1960); die apomiktische Fortpflanzung wird durch ein dominantes Gen hervorgerufen. Von der Untergattung Euhieracium Torrey und Gray (Archieracium Fries) (im Gebiet Nr. 6-14) ist bis heute nur von H. umbellatum normal sexuelle Fortpflanzung nachgewiesen; jedoch sind diploide Sippen auch von andern Arten bekannt. Die meisten untersuchten Pflanzen waren obligat apomiktisch und triploid. Indessen können auch hier noch Anklänge an meiotische Teilungen (z. B. Chromosomenpaarungen) bei der Pollenbildung (Rosenberg 1917) und bei der Embryosackbildung (Bergman 1941) auftreten. Auch wenn dabei in der Regel keine Eizellen mit reduziertem Chromosomensatz entstehen und deshalb keine Bestäubung notwendig wird, kann sich bei heterozygoten Pflanzen eine Neukombination der Chromosomen einstellen und Anlaß zu abweichenden ( «mutierten») Nachkommen geben. Solche plötzlichen Abweichungen in einer sonst gleichförmigen Nachkommenschaft werden gelegentlich beobachtet (z. B. von Ostenfeld 1921). Es ist wahrscheinlich, daß, allerdings sehr selten, aus einzelnen Eizellen mit reduziertem Chromosomensatz durch Fremdbestäubung Bastarde entstehen und so zu neuen Merkmalskombinationen führen.

Wollte man alle einigermaßen konstanten und meist nur sehr lokalen Sippen als Arten anführen, so könnte man wohl mit mehr als 1000 Arten rechnen (der Prodromus der britischen Hieracia von Pugsley 1948 beschreibt allein für Großbritannien 256 Arten nebst einer großen Zahl von Varietäten), und eine Bestimmung wird praktisch aussichtslos. Für Mitteleuropa muß zur Bestimmung von Kleinsippen auf die Bearbeitungen von Zahn (1914 1921-23 1922-39 1929 verwiesen werden (Unterteilung der Haupt- und Zwischenarten in zahlreiche Unterarten und Varietäten). Über die Verbreitung der einzelnen Sippen benütze man Regionalfloren; weitere Angaben von Huber-Morath (1967 1969).

In der vorliegenden Bearbeitung werden deshalb nur jene Sippen erwähnt, die sich morphologisch deutlich voneinander unterscheiden und geographisch und ökologisch selbständig sind. Zwischenarten werden auch dann nicht aufgeführt, wenn sie an Orten wachsen, wo eine oder beide Elterarten in der Nähe nicht Vorkommen, besonders, wenn angenommen werden muß, daß die Elterarten vor nicht allzu langer Zeit noch vorhanden waren, oder, daß die fixierten Bastarde von Orten, wo beide Eltern vorkommen, dahin verschleppt wurden. Der Entscheid über die Bewertung der Sippen kann beim heutigen Stand der Hieraciaior schung nicht endgültig sein. Dazu sind noch viele umfangreiche, experimentelle Untersuchungen notwendig.

Bei der Ausarbeitung der morphologischen und geographischen Beschreibungen konnten wir uns im wesentlichen auf Angaben stützen, die von Dr. O. Hirschmann (Bad Ragaz) großzügigerweise zusammengestellt wurden. Leider war es ihm nicht mehr vergönnt, das vorliegende Manuskript durchzulesen. Es trifft ihn deshalb keine Verantwortung für die Darstellung der Gattung (insbesondere für die Aufstellung der Artengruppen und die Auswahl der in die Arbeit aufgenommenen Arten).

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