Apioceridae

Hermann, Friedrich, 1909, Beitrag zur Kenntnis der Apioceriden. (Dipt.) Nebst Bemerkungen über die systematische Stellung der Mydaiden und Asiliden., Deutsche Entomologische Zeitschrift (Beiheft) 1909, pp. 104-122 : 109-122

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https://doi.org/ 10.5281/zenodo.27472

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https://doi.org/10.5281/zenodo.6290659

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Donat

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Apioceridae
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Apioceridae

Ich wende mich nunmehr allgemeineren Erörterungen zu, die die systematische Stellung der Apioceriden zum Zweck haben sollen. Prüfen wir zunächst, ob das neue Genus Ripidosyrma selbst zu den Apioceriden zu rechnen sei, so kann hierüber auch nicht der gelindeste Zweifel bestehen. Schon der Vergleich der Flügeläderung ergibt diese Zusammengehörigkeit auf das klarste, Zug für Zug stimmt der Aderverlauf bei Ripidosyrma mit den mir bekannt gewordenen Apioceraarten überein. Diesem Verhalten der Flügel schliessen sich auch sonst noch eine Reihe gemeinsamer Züge im Bau des Kopfes, des Rüssels und der Taster, der Genitalien usw. an, die sich unschwer im Sinne einer verwandtschaftlichen Zusammengehörigkeit der beiden Genera verwerten lassen. Gleichwohl finden sich aber in genügender Menge auch trennende Momente im besonderen sowohl, wie ganz besonders im Gesamthabitus der beiden Formen. Gerade diese letzteren lassen sich wohl am besten durch einen Vergleich präzisieren: die beiden Genera Apiocera und Ripidosyrma stehen zueinander in dem gleichen Verhältnis wie Thereva und Psilocephala. Die Apioeeren (Tafel, Fig. 4) entsprechen mit ihrem gedrungenen Habitus, dem reichlich behaarten Gesicht der Therevaform, während Ripidosyrma durch ihren gracilen Bau, durch die Nacktheit von Stirne und Gesicht mit Psilocephala und benachbarten Therevidenformen übereinstimmt. Nicht umsonst habe ich zu diesem Vergleich die Thereviden herangezogen, denn es hat mich die intensivere Kenntnis der Apioceriden zu der mir kaum zu bezweifelnden Ansicht geführt, dass die letzteren mit den Thereviden systematisch in sehr nahem verwandtschaftlichen Konnex stehen. Ich habe in beiliegender Tafel Fig. 5 ein Photogramm von Psilocephala exbnia Mg. gegeben und glaube, der Vergleich derselben mit Ripidosyrma müsste mehr wie Worte für diesen Zusammenhang sprechen. Gerade nach dieser Richtung scheint mir das neue Genus Ripidosyrma hohe systematische Wertung zu besitzen, da es die betonte Zusammengehörigkeit noch leichter erkennen lässt, als die eigentlichen Apioceraarten. Doch auch bei diesen ist dieser Nachweis nicht schwer und es mag vielleicht für die engen verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen Apioceriden und Thereviden auch schon etwas der Umstand sprechen, dass die Apioceraarten meiner Sammlung jahrelang unter undeterminiertem exotischen Therevidenmaterial steckten, bis mich ein Zufall zur näheren Untersuchung der Tiere führte. Der Hinweis auf eine solche systematische Verwandtschaft der beiden Dipterenfamilien ist nun durchaus nichts Neues; schon von Mac qua rt wurde sie geahnt, mit aller Bestimmtheit aber vor allem von Brauer ausgesprochen. Mich selbst hat jahrelange Beschäftigung mit der Systematik der brachyceren Dipteren zu den wesentlich gleichen Schlüssen geführt, die jüngst H a n d l i r s c h in seinem schönen, ausgedehnten Werke über "Fossile Insekten" ausgesprochen hat: mit ihm sehe ich in den Thereviden eine phylogenetisch sehr alte Gruppe, deren Vorfahren wohl in xylophagiden-ähnlichen Formen zu finden sein dürften; aus den Thereviden haben sich dann die verschiedenen Formen der heterodactylen Brachyceren allmählich entwickelt. Aus dem Flügelgeäder der Thereviden entstand einerseits durch Reduktion der Äderung der Scenopinusflügel, während sich andererseits die Apioceriden direkt auf jene Familie zurückführen lassen. Die Überführung des Therevidenflügels in jenen der Apioceriden scheint mir dabei keinen irgendwie grossen Schwierigkeiten zu begegnen. Das Wesentliche dabei besteht meiner Ansicht nach darin, dass die Subcostalader der Apioceriden, sich verlängernd, immer mehr die Tendenz zeigt, ihre Implantation in die Costalader gegen die Flügelspitze zu verschieben, und dass gleichzeitig die Radial-, Cubital- und 2 Discoidaladern sich mehr und mehr dem apical verschobenen Ende der Subcostalader entgegenkrümmen. Besonders wertvoll erscheinen mir nach dieser Richtung die Zeichnungen, die Williston von Flügeln verschiedener nordamerikanischen Apioceridenformen gegeben hat und die ich daher auch hier nochmals zum Abdrucke bringen möchte (Fig. 3 a, b, c Man erkennt dabei ohne weiteres die allmähliche Verlängerung der Subcostalader und die Konvergenzstellung der obengenannten Längsadern, die allmählich soweit führt, dass die obere Zinke der Gabelader sich direkt in die verlängerte Subcosta implantiert.

Damit ist dann die Flügeläderung erreicht, die den uns bisher bekannt gewordenen austral - asiatischen Apioceraspezies und in gleicher Weise der afrikanischen Ripiclosyrma eigen ist. Rechnet man dazu die oben bereits betonte, unverkennbare Ähnlichkeit im Oesamthabitus, sowie mannigfache gleichartige Züge intimerer plastischer Merkmale, so kann die Konstatierung allerengster verwandtschaftlicher Beziehungen zwischen den Thereviden und den Apioceriden kaum mehr begründeten Zweifeln unterliegen.

Auch die Ableitung der interessanten Familie der Mydaiden von den Apioceriden begegnet nicht den geringsten Schwierigkeiten, um so weniger, als hier die Zwischenformen, die Bindeglieder zwischen der einen und anderen Formengruppe ziemlich offen zu Tage zu liegen scheinen. Nach dem Vorgänge Gerstäckers können wir die ziemlich artenreiche Familie der Mydaiden in 2 Gruppen einteilen, die sich dadurch voneinander unterscheiden, dass bei der einen, kleineren Gruppe ( Mitrodetus , Diochlistus , Triclorius ) 3 Zellen, bei der zweiten, die übrigen Formen einschliessenden Gruppe nur 2 Zellen zwischen der hinteren Zinke der Gabelader und dem Hinterrande des Flügels gelegen sind. Eine zweite, freilich weit weniger bestimmte Einteilung läfst sich auf der Beschaffenheit des Rüssels aufbauen, indem eine Reihe von Mydaidenformen mit einem lang vorstehenden, fadenförmigen, spitz endigenden Rüssel ausgestattet sind, während die anderen einen mehr oder minder kurzen mit Endlippen versehenen Schöpfrüssel besitzen. Eine auffallende Form, Syllegomyclas, bei der der Rüssel ganz rudimentär geworden ist, scheidet für diese Art der Einteilung ganz aus.

Nach der Richtung der beiderlei Einteilungsprinzipien führen nun von den Apioceriden sichere Brücken zu den Mydaiden herüber. Als Zwischenform zu der ersten Gers täcker sehen Gruppe dürfte das von Osten- Sacken aufgestellte nordamerikanische Apioceridengenus Bhaphiomydas zu betrachten sein. Ihm schliesst sich das Coquillet sehe Genus Apomydas unmittelbar an, über dessen Existenzberechtigung, da es sich von Bhaphiomydas lediglich durch das Offensein der Analzelle unterscheidet, berechtigte Zweifel am Platze sind. Leider sind mir diese Formen durch Autopsie bis jetzt noch nicht bekannt geworden, ich muss mich daher auf die in der Literatur vorliegenden Beschreibungen verlassen, die jedoch für Bhaphiomydas durch einige Zeichnungen Willistons eine erwünschte Ergänzung bekommen. Betrachten wir zunächst an der Hand dieser Zeichnungen den Flügel von Bhaphiomydas (Fig. 4) etwas näher, so mündet die vordere Zinke der Gabelader in die Subcostalader und die hintere Zinke in die Flügelspitze aus und hinter jener befinden sich 3 Zellen, die erste bis dritte Hinterrandzelle; es verhält sich also die Flügeladerung ganz so, wie sie der ersten Gruppe der Mydaiden nach Gers täcker entspricht. Auch bezüglich der Discoidalzelle spricht sich das Charakteristische des Mydaidenflügels schon scharf genug aus: die Discoidalzelle wird durch die hereinhängende vordere Basalzelle etwasverengt und ist zugleich nach der Basis des Flügels scharf ausgezogen. Dagegen ist die kleine Querader noch in ihrem typischen Verlaufe, d. h. in ihrer mehr oder minder quer zur Längsachse des Flügels stehenden Richtung gewahrt, während der Mydaidenflügel die Querader durch Änderung ihrer Verlaussrichtung kaum mehr deutlich erkennbar zeigt. Im ganzen zeigt also der Rhaphiomydasflügel, wie der Vergleich mit dem Flügel eines echten Mydaiden (Triclonus) ohne weiteres erkennen lässt (Tafel, Fig. 6), eine Äderung, die zwar den Apioceridentypus noch im wesentlichen festhält, gleichwohl aber schon eine deutliche Verschiebung zu Gunsten des Mydaidengeäders zeigt. Dazu kommt noch, dass die Rhaphiomydasarten mit einem langen, haarförmigen Rüssel ausgestattet sind, wodurch sie sich ohne weiteres dem chilenischen Mydaidengenus Mitrodetus nähern, von dem ich einen Vertreter (dentitarsis Bl.) in zahlreichen Exemplaren vor mir habe. Dass auch im Gesamthabitus nähere Beziehungen zwischen Rhaphiomydas und Mitrodetus obwalten, geht aus einem Hinweise Osten-Sackens hervor, doch weiss ich darüber, da ich wie gesagt Rhaphiomydas aus eigener Anschauung nicht kenne, näheres leider nicht anzugeben.

Um so besser aber kenne ich die Zwischenform, die den Übergang der Apioceriden in die zweite Mydaidengruppe Gerstäckers zu vermitteln vermag: den chilenischen Megascelus nigricornis Phil. (Tafel, Fig. 7), den ich in beiden Geschlechtern besitze. Auch hier will ich zunächst auf den Aderverlauf der Flügel eingehen, der, wenigstens in gewisser Beziehung, eine weitere Konvergenz zum Mydaidengeäder erkennen lässt. Zunächst sehen (Fig. 5) wir auch die hintere Zinke der Gabelader in die verlängerte Subcostalader einmünden, weiterhin ist die zweite Hinterrandzelle dadurch geschlossen, dass die sie hinten begrenzende zweite Discoidalader bogenförmig mit der hinteren Zinke der Gabelader in Verbindung steht. Aber auch die erste Discoidalader ist mit dieser verbunden, so dass die erste Hinterrandzelle ebenfalls geschlossen und weit von dem Flügelrande abgetrennt wird. Hält man sich an den Gerstäckersehen Einteilungsmodus des Mydaidengeäders, so würden demnach bei Megascelus zwischen dem hinteren Aste der Gabelader und dem Hinterrande des Flügels nur 2 Adern gelegen sein und das Geäder würde damit der zweiten Gruppe der Mydaiden völlig konform sein. An der basalen Hälfte des Megascelusflügels wird dagegen die Äderung der Apioceriden vollständig festgehalten; wohl ist die proximale Spitze der Discoidalzelle etwas mehr basalwärts ausgezogen, aber die

Deutsche Entomol. Zeitschrift 1900. Beiheft. 8

Querader ist durchaus in ihrer zur Flügellängsachse queren Verlaussrichtung erhalten im Gegensätze zum Flügel der Mydaiden. Endlich besitzt Megascelus noch die typische Fünfzahl der Hinterrandzellen, wie sie den Apioceriden und wie sie auch den Thereviden eigen ist. Bei den Mydaiden ist dagegen diese Fünfzahl nur noch bei einigen Formen (Triclonus, Diochlistus ) erhalten, während im übrigen eine mehr oder minder erhebliche Reduktion der Hinterrandzellen stattfindet. Dieser Reduktionsvorgang, der die Mydaiden ohne weiteres als eine phylogenetisch jüngere Gruppe der Dipteren zu charakterisieren vermag, ist auch bei den rezenten Formen noch im Gange, woher es kommt, dass "die kleine Querader am Hinterrande des Flügels“, die eventuell zur Trennung von Hinterrandzellen verwendet wird, keinerlei systematische Wichtigkeit besitzt: wir sehen sie inkonstant auftreten bei den verschiedenen Gattungen, bei den verschiedenen Spezies ein und derselben Gattung und endlich auch bei den einzelnen Individuen ein und derselben Spezies. Nun möchte ich diesen in der Zahl der Hinterrandzellen sich abspielenden Reduktionsprozess nicht verlassen, ohne noch einmal auf die W i l l i s t o n sehen Zeichnungen von Apioceridenflügeln zurückzuverweisen: Fig. 3 lässt uns deutlich erkennen, dass Spuren eines solchen Reduktionsprozesses sich schon bei den Apioceriden einleiten und diese werden dadurch umso deutlicher als Übergangsformen charakterisiert, die den phyletisch alten Stamm der Thereviden mit den höheren und jüngeren Formen der heterodactylen Dipteren verbinden.

Die vorstehenden Betrachtungen über die systematische Wertung der Apioceriden bewegten sich fast ausschliesslich nach derRichtung des Flügelgeäders, und zwar mit vollem Recht. Nichtsdestoweniger erscheint es notwendig, auch sonstige plastische Merkmale in den Kreis unserer Untersuchungen zu ziehen. Zunächst den Kopf. Auch hier wollen wir wieder von den Thereviden ausgehen. Der Scheitel ist bei den Thereviden nicht eingesattelt und trägt die typische Dreizahl wohlentwickelter Ocellen. Der Umstand, dass bei den ♂ ♂ die Augen auf der Stirne zusammenstossen, während sie bei den breit getrennt sind, führt dazu, dass bei den ♂ ♂ die Ocellen einen deutlichen Ocellenhöcker einnehmen, während sich dieser bei den ♀♀ schwächer gegen die Stirnfläche absetzt. Bei den Apioceriden ist die ebenfalls nicht eingesattelte Scheitelgegend bei beiden Geschlechtern breit, der wenig vorspringende Ocellenhöcker trägt 3 Punktaugen, deren vorderstes etwas grösser und zugleich im Gegensätze zu den Thereviden etwas noch abwärts verschoben ist. Auch bezüglich des Scheitels und der Ocellargegend zeigen Bhaphiomydas und Megascelus wieder ein recht interessantes Verhalten. Nach den

Angaben von Osten-Sacken ist bei Rhaplnomydas der Scheitel beiderseits des Ocellenhöckers etwas eingesattelt, der letztere, breit und flach, trägt an seinen Seiten zwei grosse Ocellen. Bei Megaseelus ist der Scheitel nirgends eingesattelt, der Ocellenhöcker ist von der Stirne durch eine Querfurche abgetrennt und trägt ebenfalls nur 2 Ocellen; das dritte, vordere hat sich weit nach abwärts verschoben und nimmt an der Stirne eine Stelle ein, die nahezu gleich weit von der Fühlerwurzel und der Scheitelhöhe entfernt ist. Auch nach dieser Richtung lassen sich Rhaphiomydas und Megascelus als Ubergangsformen zur Familie der Mydaiden auffassen. Bei diesen ist der Scheitel, soviel mir bekannt, durchaus mehr oder minder eingesattelt und es musste dadurch auch die Ocellargegend beeinflusst werden. Auf deren Verhalten rnuss ich an dieser Stelle etwas näher eingehen, da die Angaben hierüber in der Literatur keineswegs den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen. Im Interesse gröfserer Deutlichkeit möchte ich unterscheiden zwischen dem Ocellenhöcker und den eigentlichen Ocellen, d. h. Nervenendstellen, über denen das Chitin glasige Transparenz und meist eine vom Untergründe verschiedene Farbe (gelb, rötlich) zeigt. Ein Ocellenhöcker ist nun den meisten mir bekannt gewordenen Mydaidenformen eigen, nur ist er durch die mehr oder minder tiefe Einsattlung der Scheitelgegend nach abwärts verschoben worden, so dass er meist in geringer Entfernung über der Fühlerwurzel gelegen ist. Wir finden ihn daher als Stirnhöcker, Scheitelhöcker häufiger in der Literatur erwähnt. Häufig ist dieser Ocellenhöcker sogar recht gross, durch Längsrillen usw. lebhaft reliefiert, häufig wird man auch die Stellen der atrophierten Ocellen, namentlich des vordersten, deutlich als rundliche Höcker erkennen können, deren Chitindecke aber die glasige Transparenz völlig verloren hat. Aber es kommen bei den Mydaiden auch echte und rechte Ocellen vor. Meine Aufzeichnungen, die auf Vollständigkeit keinen Anspruch machen können, ergeben hierüber folgende Daten. In typischer Dreizahl finden sich die Ocellen nur bei Triclonus, das mediane, vordere Punktauge aber ist bei Dolichogaster , Mitrodetus , Phyllomydas und Eremomydas in voller Ausbildung erhalten. In gleicher Form findet es sich bei dem chilenischen Miltinus Paulsenx , dagegen besitzt es bei dem neuholländischen Miltinus viduatus nur mehr die Gestalt eines halbmondförmigen Schlitzes. In dieser Ruclimentärform findet sich das Medianocellum dann bei Syllegomydas und in dem eigentlichen Genus Mydas bei den Spezies: clavatus, cleptes, apicalis, abdominalis, mystaoeus, dives, leucops und annidaris vor, und zwar kommen bei diesen alle möglichen Stadien des Rückbildungsprozesses an dem Ocellum zur Beobachtung, so dass es schliesslich, bevor es gänzlich geschwunden ist ( Mydas heros usw.

Rhopalia , Leptomydas ) nur mehr eine feine, lineare, von transparentem Chitin ausgekleidete Spalte darstellt. So lückenhaft diese Angaben bei meinem relativ kleinen Material - ca. 30 Arten in ö ca. 100 Exemplaren - auch sein müssen, so viel lässt sich doch sicher daraus schliessen, dass bei den Mydaiden die Ocellen einem allmählichen Rückbildungsprozesse unterliegen, der bei den uns bekannten Arten noch nicht zum Abschluss gelangt ist, und dass Avir diejenigen Mydaiden, bei denen die typische Dreizahl der Ocellen noch erhalten ist, Triclonus, als die phyletisch ältesten Formen zu betrachten haben werden.

Wenden wir uns nunmehr den Fühlern zu und gehen auch dabei auf die Familie der Thereviden zurück, so ist bei den typischen Formen der Bau der an der Wurzel einander genäherten Fühler ein relativ einfacher. Das walzenförmige erste Segment ist meist mehr wie doppelt so lang als das sehr kurze zweite, das ebenfalls walzenförmige oder spindelförmige Endglied ist ungefähr von der Länge des ersten Segmentes und mit einem deutlichen, ein- oder zweigliedrigen Endgriffel bewehrt. Allein bei gewissen Thereviden zeigen sich auch recht auffallende, fast monströse Ausgestaltungen der Fühler, die entweder nur das erste Segment betreffen - ich erinnere hier an Xestomyza , Pliycus , Cionophora , Barypliora usw. - oder nur an dem dritten ( Caenophanes ) oder endlich am ersten und dritten Fühlerglied ( Agapophytiis ) zur Beobachtung kommen. Vielleicht dürfte diese Tendenz des Therevidenfühlers zu eigentümlichen, auffallenden Gestaltungen für das Verständnis des Fühlerbaues der Mydaiden nicht ganz ohne Bedeutung sein. Denn bezüglich der Fühler lassen die Apioceriden jegliche Anklänge an die verlängerten keulenförmigen Fühlergebilde der Mydaiden vermissen. Bei dem Genus Apiocera (Fig. 6) gleicht der Fühlerbau im grossen und ganzen dem der genuinen Thereviden, vielleicht mit der Ausnahme, dass das erste Segment relativ etwas kürzer ist als bei diesen. Auch der an früherer Stelle schon geschilderte Fühler von Ripidosyrma mit seinem fast kugeligen Endglied bietet ebensowenig wie der von Megascelus Anklänge an die Mydaiden. Bei Megascelus (Fig. 7) sind die dicht beborsteten Basalglieder äufserst kurz, das Endglied ist kugelförmig aufgebläht und besitzt vorne eine Delle, in der ein äufserst feiner Endgriffel nur schwer wahrnehmbar ist. Wenn nun auch die Apioceriden bezüglich ihrer Fühler keinen direkten Vergleich mit den Mydaiden zulassen, so möchte ich trotzdem einen Hinweis auf deren Fühlerbau nicht unterlassen. Die erste Gerstäcker sehe Gruppe der Mydaiden (Fig. 8)

(Mitrodetus, Diochlistus,

Tricloniis), also jene Formen, mit denen wir das Genus Rhaphiomydas in Verbindung brachten, zeichnet sich dadurch aus, dass das erste Basalglied der Fühler das zweite mehrfach an Länge übertrifft, während bei der zweiten Gruppe (Fig. 9) die beiden Basalglieder im allgemeinen sehr kurz sind und also wenigstens eine einigermassen ähnliche Gestaltung wie bei Megascelut besitzen.

Auf die verschiedene Form des Rüssels der Apioceriden - Rhaphiomydas auf der einen, Apiocera , Ripiclosyrma , Megascelus aul der anderen Seite - habe ich schon ganz flüchtig an frühere] Stelle hingewiesen und ich möchte auch hier ein näheres Eingeher auf den Bau der Mundwerkzeuge unterlassen, da wir darüber durcl die Untersuchungen Willistons recht genau orientiert sind So darf ich mich darauf beschränken auf diese Arbeit zu verweisen, die in Kansas University Quarterly, vol. I, Januar 189S erschienen ist. Dagegen möchte ich nur bezüglich der Mydaider auf einen Punkt aufmerksam machen, in dem die Angaben dei Literatur ebenfalls mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmen Man begegnet häufig der Angabe, dass die Mydaiden der Taste) völlig entbehren. In dieser bestimmten Form ausgedrückt, is' die Sache sicher nicht richtig, vielmehr ergab die Untersuchung des mir zugänglichen Materials folgendes Nähere. In Bestätigung einer Angabe Willistons sei zunächst bemerkt, dass das Genus Triclonus sehr gut entwickelte, verlängerte, allerdings eingliedrig! Taster besitzt. Dasselbe gilt auch für das Genus Mitrodetus . Be ändern Mydaidenformen dagegen sind die Taster zwar noch deutlich, aber in rudimentären Formen als mehr oder minder kurz" Uöckerchen in den seitlichen Partien der Mundöffnung zu erkennen dahin gehören die Genera Dolicliogaster, Leptomyclas, Eremomydas , Rhopalia und Sy lieg omy das. Bei Miltimis finden sich bei der australischen Spezies viduatus noch ziemlich gut entwickelte Taster, während die chilenische Spezies Paulseni derselben völlig entbehrt. Darin begegnet sich diese Spezies mit Phyllomyclas und vor allem mit den zahlreichen Arten des eigentlichen Genus Mydas , bei denen Taster auch in Rudimenten nicht mehr nachweisbar sind. Auch die Taster unterliegen also bei den Mydaiden einem Prozesse allmählicher Reduktion, der aber bei den zur Zeit lebenden Formen noch nicht zum Abschlüsse gekommen ist. Nicht uninteressant dürfte dabei wieder der Binweis sein, dass dieser Reduktionsvorgang schon bei Megascelus sich einleitet, insofern als bei ihm nur mehr recht kleine Taster vorhanden sind.

In seiner bekannten Arbeit über die Systematik der Mydaiden wies Gerstäcker auf Differenzen im Bau des weiblichen Genitalsegmentes hin, indem dieses entweder mit einem Stachelkranze versehen ist, oder desselben entbehrt; und zwar gehören zu letzterer Gruppe die beiden Genera Mydas und Dolichogaster . Verfolgen wir nun die Mydaiden rückwärts zu den Apioceriden, so lässt sich feststellen, dass auch bei diesen das weibliche Genitalsegment mit deutlichem Stachelkranze bewehrt ist, wobei freilich bemerkt sei, dass mir das neue Genus Ripidosyrma bislang nur im männlichen Geschlecht bekannt geworden ist. Auch bei Megascelus ist der Stachelkranz vorhanden. Endlich sei noch an eine bekannte Tatsache erinnert, dass auch bei allen Therevidenformen das Genitalsegment einen deutlichen Stachelkranz trägt.

Ziehen wir nun aus den vergleichenden Untersuchungen, denen wir im vorstehenden eine Reihe plastischer Merkmale der Thereviden, Apioceriden und Mydaiden unterzogen haben, das Resultat, so dürfte dieses dahin zu präzisieren sein, dass auch die rein systematische Betrachtung der rezenten Formen uns zu den gleichen Ansichten über die phylogenetische Entwicklung der heterodactylen Brachyceren führt, die Handlirsch in seinem trefflichen Werke vorwiegend auf der Grundlage paläontologischer Erkenntnisse entwickelt hat. Den speziellen Zweck meiner vorliegenden Arbeit ins Auge fassend, glaube ich die systematische Stellung der Apioceriden als Zwischenglieder zwischen dem ursprünglichen Therevidentypus und den höher entwickelten Formen der Mydaiden und, um dies gleich anzudeuten, auch der Asiliden festgestellt zu haben. Damit muss ich mich aber direkt gegen die von Os ten -Sacken und später von Williston geäusserten Ansichten wenden, die in den Apioceriden eine aberrante Form der Asiliden glaubten sehen zu müssen. Davon kann nach der ganzen Sachlage, wie ich glaube, absolut nicht die Rede sein.

Es dünkt rair vielmehr die Fragestellung die wesentlich richtigere zu sein, ob es nicht eher möglich ist, die Asiliden von den Apioceriden abzuleiten. Hält man sich in dieser Frage an die Angaben von Handlirsch, so lauten diese folgendermassen: "Das Geäder der Asiliden ist ursprünglich geblieben und die Fühler sind entweder keulenförmig oder mehr oder weniger borstenartig ausgebildet, Umstände, die uns verbieten, die Asiliden von den Apioceriden mit ihrem modifizierten Geäder abzuleiten und wieder auf die Thereviden verweisen". Ich will nun gerne zugeben, dass man bei einem Vergleiche der beiden Familien auf mannigfache Discrepanzen im Bau der Fühler, des ganzen Kopfes, der Beine usw. stöfst, die einer Ableitung der Asiliden von den Apioceriden freilich nicht eben günstig erscheinen, allein diese Differenzen werden sich in nicht geringerem Grade auch bei einem Vergleiche der Asiliden mit den Thereviden finden. Hält man sich jedoch an das für alle systematischen dipterologischen Untersuchungen wohl Avichtigste Kriterium, die Äderung des Flügels, so wird man leicht eine Gruppe von Asiliden aufführen können, denen gegenüber das Geäder der Apioceriden durchaus nicht als übermäfsig „modifiziert“ erachtet werden kann. Zieht man nämlich zum A T ergleiche die Asilinengenera Proctacanthus , Eccritosia , Polysarca und Erax heran, so wird man erstaunt sein, wie gering die Differenzen im Aderverlaufe gegenüber den Apioceriden sind. Wie hier, so sehen wir auch dort die Gabelader mit ihren beiden Zinken nicht in den Hinterrand, sondern aufwärts gebogen in den Vorderrand der Flügelspitze einmünden. Und wenn auch die vordere Zinke der Cubitalader zum Unterschiede gegen den Apioceridenfiligel sich nicht direkt mit der Subcostalader in Verbindung setzt, so liegt ihre Implantation in dem Flügelrand doch nur in recht geringer Entfernung von dem Ende der Subcostalis. Die erste Discoidalader (3. Längsader) freilich wird man bei den meisten der genannten Asilinenformen rückwärts gebogen in den Hinterrand des Flügels einmünden sehen, aber auch nach dieser

Richtung wird man die Zwischenglieder keineswegs vermissen. Bei Polysarca , wo allerdings die sämtlichen Hinterrandadern den Flügelrand überhaupt nicht erreichen, sieht man den Stumpf der ersten Discoidalader nach vorwärts gebogen, und besonders lehrreich (Fig. 10) erscheint unser paläarktischer Proctacanthus gigas Eversmann, der, nebenbei gesagt, in mehreren Punkten mit seinen amerikanischen Gattungsgenossen nicht recht übereinstimmt. Bei ihm lässt sich nämlich die erste Discoidalader genau so wie bei dem Apioceridenflügel direkt gegen den Vorderrand der Flügelspitze verfolgen. Auf der basalen Flügelhälfte aber stimmt der Aderverlauf bei den genannten Asilinenformen Zug um Zug mit dem Flügelgeäder der Apioceriden überein. Hält man das Gesagte zusammen, so dürfte man sich wohl der Überzeugung nicht verschliessen können, dass die Flügeläderung, wie sie bei den genannten Asilinenformen zur Beobachtung kommt, ganz gewiss einen phylogenetischen Anschluss der Asiliden an die Apioceriden keineswegs verbietet.

Und nun möchte ich noch auf einen Umstand hinweisen: die Segmentbildung des Abdomens. Bei den Thereviden besteht das Abdomen nach den allgemeinen Angaben der Literatur aus 7 Segmenten, denen sich das eigentliche Genitale als achtes anschliesst. Ich habe dies bei allen mir zu Gebote stehenden Therevidengenera nachgeprüft und die Angaben der Literatur als völlig richtig befunden. Bei den Apioceriden liegen die Verhältnisse so, dass sich das neue Genus Ripidosyrma mit 7 Segmenten an die Thereviden anschliesst, während bei Megascelus und Apiocera der Hinterleib aus 8 Segmenten (exkl. Genitale) besteht. Dabei ist bei den ♀ ♀ von Apiocera das achte Segment unter dem siebenten verborgen, während es bei den ♂ ♂ frei zutage liegt. Über die Segmentzahl bei Rhapliiomydas finde ich in der Literatur leider keine Mitteilung. Bei den Mydaiden finde ich angegeben, dass das Abdomen sieben ringlig sei, wobei auch das Genitalsegment nicht mitgerechnet ist. Ganz richtig ist freilich diese Angabe nicht, sie stimmt, soweit ich aus dem mir vorliegenden Untersuchungsmaterial schliessen kann, nur für Miltinus, Eremomydas und das eigentliche Genus Mydas, wobei bemerkt sein mag, dass bei einigen Spezies dieses letztere die Bildung eines achten Segmentes eingeleitet zu sein scheint. Bei allen anderen Mydaidengenera aber beträgt die Segmentzahl 8. Wie verhalten sich nun die Asiliden ♀ Nach den Angaben der Literatur setzt sich das Abdomen aus 8 Segmenten zusammen; nach meinen Untersuchungen scheint die Zahl richtig und konstant zu sein, ich möchte dabei nur darauf hinweisen, dass bei einigen Asilidengenera, z. B. Sisyrnoclites, Atomosia usw., die letzten Segmente mehr oder minder an die Bauchfläche umgeschlagen und in getrocknetem Zustande schwer oder gar nicht zu zählen sind. Jedenfalls ersehen wir aus dem Gesagten, dass die Vermehrung der Abdominalsegmente bei den Apioceriden einsetzt, und dass sie bei den rezenten Mydaiden noch nicht zum Abschlüsse gelangt ist, während die Segmentzahl bei den Asiliden schon konstant geworden ist.

Auf die Untersuchung der männlichen Genitalorgane bei den uns hier interessierenden Dipterenfamilien möchte ich mich gar nicht einlassen, sie müsste eine rein anatomische, an frischem oder erweichtem Material anzustellende sein und dazu fehlt mir ebensowohl die nötige Zeit, wie, was namentlich die selteneren Formen betrifft, das nötige Untersuchungsmaterial. Bezüglich des weiblichen Genitales aber will ich daran erinnern, dass die Legeröhre bei den Thereviden, den Apioceriden und den Mydaiden (mit Ausnahme von Dolichogaster und Mydas selbst) mit einem Stachelkranze bewehrt ist. Ganz besonders aber möchte ich darauf hinweisen, dass von denjenigen Asilinen, die ich wegen ihres Flügelgeäders in phylogenetischen Konnex mit den Apioceriden glaubte stellen zu dürfen, die Genera Proctacanthus , Eccritosia und Polysarca ebenfalls eine mit einem Stachelkranze versehene Legeröhre besitzen. Dahin gehört auch noch der von P h i l i p p i aus Chile beschriebene Asiliis spectabilis, den ich in einer Reihe von Exemplaren beiderlei Geschlechts vor mir habe. Das Tier lässt sich in keiner der benachbarten Asilinengenera befriedigend unterbringen. Von Proctacanthus trennt es der höchst eigentümliche Bau des männlichen Genitales, sowie der kurze, gedrungene Hinterleib, mit Eccritosia und Polysacra hat er überhaupt mit Ausnahme des Flügelgeäders keine intimere Verwandtschaft, mit den Arten des Genus Erax teilt er wohl die Charaktere der Zeichnung, trennt sich von ihnen aber ohne weiteres durch die bedornte Legeröhre des Ich fühle mich daher veranlasst, auf die P h i l i p p i sehe Spezies A. spectabilis das neue Genus Brachystelechis zu errichten und behalte mir vor, an anderer Stelle auf die nähere Begründung dieses Genus zurückzukommen. Nicht versäumen möchte ich aber hier den Hinweis auf eine für unsere Fragestellung nicht uninteressante Bemerkung, die der scharssichtige Philippi in derBeschreibung seines Asilus spectabilis machte. Er sagt (p. 695) "Kurzund gedrungen und dadurch sehr abweichend von allen anderen chilenischen Formen und sich an Anypenus (Apiocera') usw. anschliessend", und wollte damit wohl auch schon auf verwandtschaftliche Beziehungen hinweisen, in denen gewisse Asilinen mit den Apioceriden stehen und auf die ich in dieser Arbeit etwas näher glaubte eingehen zu müssen.

Ich komme nun zum Schlüsse meiner Ausführungen. Ich bin mir dabei vollständig bewusst, dass alle phylogenetischen Untersuchungen über die Abstammung und die Verwandtschafts' bezieliungen bestimmter Tierformen stets mit einer gewissen Dosis blosser Wahrscheinlichkeit werden zu rechnen haben, denn leider werden uns stets gewisse Bindeglieder fehlen, welche die phylogenetische Entwicklung vollständig sinnenfällig und sicher beweisen würden, allein mit der nötigen Reserve möchte ich es doch auf Grund dessen, was die vorliegende Untersuchung gelehrt hat, wagen, für die Entstehung der heterodactylen Brachyceren folgenden Stammbaum aufzustellen:

Therevidae

Kingdom

Animalia

Phylum

Arthropoda

Class

Insecta

Order

Diptera

Family

Apioceridae

GBIF Dataset (for parent article) Darwin Core Archive (for parent article) View in SIBiLS Plain XML RDF